Aus dem Dschungel in den Dschungel

In den Dschungel
In den Dschungel
Nach einer Nacht in Benin heißt unser nächstes Ziel Nigeria. Das von der Kriminalität wohl gefährlichste Land der Tour, zudem bevölkerungsstärkstes Gebiet Westafrikas. Zwar lassen sich einige besonders gefährdete Gebiete umfahren, dennoch treten wir den Trip Richtung Grenze mit einem recht flauen Gefühl an. Was wird uns erwarten, welche brenzlichen Situationen müssen wir überstehen und wie kommen wir unfallfrei durch Lagos? Die beiden portugiesischen Motorradfahrer an der Grenze Togo/Benin haben uns mit ihren Geschichten und Zweifeln auch nicht gerade mutiger gemacht.

An der Grenze bestätigen sich zunächst fast alle Vorurteile. Die Preise sind hoch wie nie bisher, die Leute sind unfreundlich und leicht aggressiv. Ein vorbeikommender Brite, der jetzt in Lagos lebt, nennt die Grenze “the toughest border in Africa”. Da scheint er Recht zu behalten. Wir warten ewig und billig wird es am Ende auch nicht. Zum Glück wartet dann Charles auf uns, unser Guide. Er hat sich leider das Bein gebrochen und kommt daher mit einem Freund. Ihre Aufgabe: Uns möglichst schnell aus dem Grenzgebiet, dann zum Flughafen Lagos und schließlich aus Lagos heraus zu lotsen. Keine einfache Aufgabe, wie sich schnell herausstellt. Bereits bei den ersten Kontrollen werden Scheine unter der Hand verteilt und als Lagos dann beginnt, sind wir froh die beiden dabei zu haben.

Die Stadt quillt quasi über, Lagos ist mit offiziell 15 Mio. Menschen die größte Stadt Afrikas. Entsprechend sind die Zustände. Die Straßen sind verstopft, überall sind Menschen, Maschinen und Autos. Da die Straßen und die Fahrzeuge teilweise komplett straßenverkehrsuntauglich sind, kann man sich ausmalen, dass hier einiges passieren kann. Gleich am Stadteingang von Lagos der erste Schock. Auf der Gegenfahrbahn knallt ein Motorrad in ein abbiegendes Auto, die 3 Motorradfahrer fliegen durch die Luft, zum Glück sieht auf den ersten Blick keiner schwer verletzt aus, obwohl natürlich niemand ein Helm trägt und das Motorrad natürlich auch nur für 2 Personen gedacht ist. Bei dem Chaos wird uns klar, dass wir ganz besonders vorsichtig sein müssen, nirgends in Afrika sterben so viele Menschen im Straßenverkehr wie hier.

Da die Hauptstraßen hoffnungslos überlastet sind und passend auch noch ein heftiger Monsun einsetzt, leitet uns Charles durch Seitenstraßen durch den Großstadtdschungel. So sehen wir die ärmeren Viertel der Stadt aus nächster Nähe. Bei Dunkelheit als Weißer nicht zu empfehlen. Nach 1,5 Stunden erreichen wir den Flughafen. Franzi muss uns leider verlassen und die Rückreise nach Deutschland antreten. Tschüss Franzi, gute Heimreise und bis bald in Hamburg!

Da wir für die Grenze und den Weg zum Flughafen wesentlich mehr Zeit eingeplant haben, entscheiden wir uns noch weiter zu fahren, um möglichst mit 2 Übernachtungen durch Nigeria durch zu kommen. Also begleitet uns Charles noch bis zum Autobahndreieck und wir sind auf uns allein gestellt. Schon nach wenigen Kilometern erkennen wir, dass die Autobahnen seit Marokko nicht mehr so gut waren. Zwar gibt es noch Abschnitte, wo wir Schlaglöcherslalom fahren müssen, aber ein Großteil ist wirklich gut ausgebaut und wir kommen schnell voran. Für großes Gelächter sorgt dann ein Toyota, der uns auf der linken Seite überholen will, ein Schlagloch übersieht und dem dann durch die Erschütterung die komplette Vorderachse bricht (!). Zum Glück bleibt es hier bei Sachschaden.

Dann die nächste äußerst positive und für viele überraschende Erkenntnis. Die Polizeikontrollen werden zu einem echten Highlight. Die Beamten bzw. Soldaten sprechen gutes Englisch und sind fast ausnahmslos gut drauf. Wir werden für unsere Tour bejubelt, oftmals wird einfach nur gewunken und wir müssen nicht mal anhalten, es wird fast gar nicht gebettelt oder der Weg unnötig versperrt. Ein wirklich gutes Gefühl, schließlich hatten wir Zustände wie im Rebellengebiet der Elfenbeinküste erwartet. Nachdem der Kaffee sogar abgelehnt wird, werden wir schließlich von einem Beamten angerappt. Mit großem Jubel geht es weiter Richtung Benin City. Vorbeifahrende Busse jubeln und zu, die Vorurteile lösen sich langsam in Luft auf, wirklich sehr tolle Menschen in Nigeria. Wir fühlen uns ein wenig sicherer und nicht an der Durchreise behindert, wie das in anderen Ländern schon der Fall war.

Benin City erreichen wir im Dunkeln. Leider wird dadurch die negative Seite Nigerias sichtbar. Alle Gebäude sind komplett vergittert, es gibt hohe Zäune und die Gefahr ist irgendwie spürbar. Wir entscheiden uns für das erstbeste Hotel an der Strecke und langen damit leider komplett daneben. Die Zimmer sind klein und etwas ekelig, zudem gleicht das Hotel einem Labyrinth, Fluchtwege bei Feuer Fehlanzeige. Natürlich sind auch die Fenster im 2. Stock vergittert, ein halber Knast. Als wir im Restaurant auf der Schwelle umkehren und an der Rezeption zweideutige Angebote gemacht werden, merken wir, wohin es uns wohl verschlagen hat. Zum Glück gibt es schräg gegenüber ein kleines Restaurant, wo wir zumindest einen kleinen Abendbrothappen einnehmen können. Das Ziel des Abends: Möglichst schnell schlafen und morgen früh wieder auf der Piste sein.


Das klappt auch ganz gut. Das Frühstück findet im Auto statt, Benin City lassen wir noch vor 8 hinter uns. Es geht weiter Richtung Osten. Auch hier kommen wir trotz einiger Platzregengüsse relativ gut durch und können uns gegen Mittag eine Pizza und eine Stunde Pause in Enugu gönnen. Dahinter beginnt ein Teilabschnitt, den wir vor 3 Monaten noch nicht hätten fahren können. Dank starker Militärpräsenz ist dies aber jetzt möglich, dank einer Einheit von Soldaten alle 500 Meter haben Rebellen oder Wegelagerer keine Chance mehr. Ab dann beginnt der anstrengende Teil. Ein 4 Stunden andauernder Abschnitt über Stock und Stein, da eine gerade im Bau befindliche Straße noch nicht fertig gestellt ist. Es geht durch kleine Dörfer, zum Glück spielt das Wetter mit und die Strecke ist gut zu erkennen. Immer wieder winken uns Einwohner zu oder helfen uns freundlich weiter, wenn die Karte nicht detailliert genug ist und Schilder fehlen.

Wunderbare Natur
Wunderbare Natur
Als wir schließlich wieder auf der Teerstraße sind, werden die Bäume höher und das Gestrüpp dichter. Wir sind im Regenwald, also wieder Dschungel. Gigantische Ausblicke auf grüne Flächen wechseln sich mit abgeholzten schandhaften Flecken. Und wir erfahren, was es bedeutet, in einen richtigen Monsunregen zu geraten. Die Scheibenwischer können nicht schnell genug arbeiten, auf der Straße bilden sich Flüsse. Dreck, Zweige und Müll fließen über den Weg. Mehr als 40 kmh sind nicht mehr drin, aber wir haben das Ziel ja auch fast erreicht. In Ikon, dem letzten Ort vor der Grenze suchen wir uns ein Hotel. Dank des Unwetters funktioniert kein Internet, immerhin gibt es Licht und kaltes Bier. Wir haben nun 12.000 km absolviert, also wird auf das Bergfest angestoßen.

Wir haben es also geschafft unbeschadet durch Nigeria zu kommen. Die Portugiesen werden sich ärgern, wenn sie es nicht versucht haben sollten, denn wir wurden unglaublich positiv überrascht. Von Kriminalität und Abzocke kaum etwas zu merken, nirgends waren Polizei und Militär so freundlich und unkompliziert. Die Nigerianer waren alles andere als unfreundlich, nicht mal in Ghana wurde uns so sehr zugejubelt und der Daumen hochgestreckt. Ein wenig Glück war sicherlich auch mit von der Partie, schließlich gab es wirklich viele erschreckend zerlegte Autowracks am Straßenrand und die Gefahr nachts war spürbar, dennoch können wir so Nigeria sehr positiv im Hinterkopf behalten. Morgen geht es nach Kamerun. Wir sind gespannt.