ContiSoccerWorld: Road to South Africa

Interview mit Initiator Andreas Wiese: „Wir halten überall an, wo Fußball gespielt wird“

20.000 Kilometer mit dem Auto zur Fußball-WM – Andreas Wiese, Initiator des Projekts „Road to South Africa“, über Motivation und Herausforderungen seiner ungewöhnlichen Reise von Hamburg nach Johannesburg.

Mit dem Auto zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Südafrika, mehr als 20.000 Kilometer Anreise, das ist eine verwegene Idee. Wie kam es dazu?

Wiese: Auslöser war eigentlich die WM 2006 in Deutschland. Das Ausmaß der Begeisterung, diese positive Welle, die durchs Land und die Stadien schwappte, in diesem einzigartigen Sommer, das hatte mich total überrascht, obwohl ich ja ein großer Fußball-Fan bin. Diese Freude auf den Fan-Festen, wo man mit Menschen aller Nationen feierte, ob mit Mexikaner, mit Ghanaern oder mit Engländern, das war eine wunderbare Erfahrung. Die Idee war da, auch zur WM in Südafrika zu fahren. „Zu fahren“ aber zunächst in Anführungszeichen, ich wollte einfach nur hin. Dann aber war erst mal die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, da wäre ich gerne mit ein paar Kumpels im VW-Bus hingefahren. Das aber klappte aus persönlichen Gründen nicht, und irgendwie kam dann der Gedanke: Dann eben nach Südafrika, mit dem Auto. Mit einem Camping-Bus, bunt angemalt, Grill und Bierkisten an Bord… Die erste Idee war ziemlich naiv.

Jetzt seid Ihr mit drei neuen Geländewagen unterwegs, ein Dutzend Reisegefährten, die Tour wird von Continental und Kia gesponsort…

Wiese: Tja, als ich anfing zu recherchieren, musste ich feststellen, dass es zwar möglich ist, auf dem Landweg nach Afrika zu kommen, das haben schon viele andere gemacht. Aber wenn man tatsächlich pünktlich zum Eröffnungsspiel der WM dort unten sein wollte, dann sollte man sich vielleicht besser nicht auf einen alten VW-Bus verlassen. Hätte ich ein Jahr Zeit für die Reise gehabt, dann wäre man das alles etwas lockerer angegangen, klar. Aber mehr als zwei, drei Monate wollte ich mir, und meiner Frau, die ja zuhause bleibt, nicht zumuten. Also mussten irgendwie Allrad-Fahrzeuge her. Ich habe mich umgehört, Leute angesprochen, und konnte dann unter anderem Continental und Kia als Sponsoren gewinnen. Per Zufall bin ich bei einem Dia-Vortrag auf Oliver Franke getroffen, der sich gerade als Unternehmer für Afrika-Reisen selbstständig gemacht hatte. So passte alles zusammen. Jetzt haben wir ein großes, medienbegleitetes Projekt, das im Prinzip aus einer lustigen Bierlaune heraus entstanden ist. Es ist für mich auch die Möglichkeit, mal aus dem normalen Alltag auszubrechen und etwas ganz Anderes, etwas ganz Ungewöhnliches zu machen. Das Leben mal ein bisschen zu entschleunigen, eine andere Perspektive zu bekommen. Eine tolle Herausforderung.

Warum habt Ihr Euch für die Westroute durch Afrika entschieden. Andere Fußball-Fans, die auch auf dem Landweg nach Afrika reisen wollen, nehmen die Ostroute.

Wiese: Die Ostroute ist ja auch einfacher, man kommt durch weniger Länder, braucht weniger Visa. Der Nachteil ist, man fährt weite Strecken durch Europa und Vorderasien, bevor man überhaupt Afrika, den Sudan, erreicht. Ich aber wollte möglichst schnell nach Afrika, über die westliche Route ist man via Frankreich und Spanien von Deutschland aus in zwei Tagen dort, das fand ich weitaus verlockender. Außerdem wollte ich unbedingt die westafrikanischen Länder mitnehmen, traditionelle Fußballnationen, von denen ja einige bei der WM dabei sind. Ghana, Elfenbeinküste, Nigeria, Kamerun. Mich interessiert sehr, wie die Stimmung in diesen Ländern vier, fünf Wochen vor dem Eröffnungsspiel ist. Ursprünglich wollten wir Afrika dann ja queren und an die Ostküste fahren, doch wegen der unsicheren Lage im Südsudan mussten wir diesen Plan aufgeben.

Was werden die größten Herausforderungen sein auf der Reise? In zehn Wochen durch Afrika, das ist keine Spazierfahrt.

Wiese: Vor der Strecke hatte ich im Vorfeld sehr großen Respekt, wir fahren ja durch rund 20 sehr unterschiedliche Länder. Mehr als 20.000 Kilometer, da warten große Herausforderungen an Mensch und Maschine. Ich bin froh, dass wir neue Autos haben, und dass wir mit der idealen Bereifung unterwegs sind. Wir werden ja sehr so abwechslungsreiche Straßenverhältnisse erleben, von Asphalt über Sand und Schotter bis zur Schlammpiste. Zum Glück haben wir vorab ja ein anspruchsvolles Off-road-Training absolviert, um uns mit unterschiedlichsten Gegebenheiten vertraut zu machen. Dazu kommen natürlich die Anforderungen ans Team, zehn Wochen auf engstem Raum mit ganz unterschiedlichen Typen, das wird auch ein besonderes Thema werden. Ich bin gespannt. Wir haben ein gutes, ein rundes Team, denke ich, mit ganz unterschiedlichen Charakteren und Altersstufen. Ich bin auch froh, nicht mit meinen engsten und ältesten Freunden diese Tour zu fahren. Dieser zehnwöchige Trip mit allen Unwägbarkeiten, da kommt man an seine Grenzen, da wäre mir die Freundschaft zu wichtig und das Risiko zu groß, das vielleicht etwas in die Brüche gehen könnte.

Ihr habt gesagt, Ihr wolltet auch die Begeisterung aus der Weltmeisterschaft in Deutschland nach Afrika tragen. Wie kann man das verstehen?

Wiese: Das sollte man nicht falsch verstehen, natürlich können die Südafrikaner sich sehr gut selbst begeistern. Aber bei der WM in Deutschland war ja das Schöne, dass diese einzigartige Stimmung gerade durch den Mix der Nationen zustande kam. Alle haben damals ihre persönliche Begeisterung mit nach Deutschland gebracht, aus Afrika, aus Südamerika, aus Europa. Die Welt war zu Gast bei Freunden, wie es hieß. Und jetzt wollen wir zu Gast in Südafrika sein, und in all den Ländern, die wir auf unserem Weg dorthin durchfahren, und mit unserer Begeisterung einen Teil zum Gesamterlebnis beitragen. Wir sehen uns ganz sicher nicht als Kolonialisten in Sachen Begeisterung. Wir werden auch immer da anhalten, wo Fußball gespielt wird. Ob auf dem Bolzplatz, oder ein Ligaspiel in einem Land. Uns ist ganz wichtig, den afrikanischen Fußball quasi auch an der Basis näher kennenzulernen. In Burkina Faso zum Beispiel werden wir sogar selbst auflaufen, als kleine deutsche Auswahl gegen eine lokale Mannschaft. Bei voraussichtlich 40 Grad im Schatten. Mal sehen, wer gewinnt… (lacht)

Du warst ja schon beim Africa-Cup in Angola. Was für Erfahrungen hast Du da gemacht?

Wiese: Ich wollte schon die Jahre zuvor mal hin, aber da hat es beruflich nicht gepasst. Jetzt aber hatte ich ja den Freiraum durch dieses Projekt, für das ich mir freigenommen habe und das sich im vergangenen Jahr zu einem Fulltime-Job entwickelt hat. Zunächst war ich unentschlossen, weil Angola ein etwas spezielles Land und nicht in allen Regionen unbedingt ein empfehlenswertes Reiseland ist. Und es wird dort hauptsächlich Portugiesisch gesprochen, was ich leider nicht kann. Aber es war eine tolle Erfahrung, dass man mit Händen und Füßen und Englisch doch immer über die Runden kommt. Ich bin alleine gereist, das würde ich in Afrika auch nicht wieder machen. Zu zweit kann man unklare Situationen besser einschätzen, man fühlt sich sicherer und hat immer eine zweite Meinung mit an Bord. Eine schöne Erfahrung war übrigens auch, dass man sehr schnell die afrikanische Gelassenheit übernimmt. Beim ersten Stromausfall bin ich noch hektisch zur Rezeption gelaufen, beim dritten war ich schon ganz ruhig und wusste, dass es nicht schlimm ist, auch mal eine halbe Stunde im Dunkeln zu sitzen und zu warten.

Und, hatten die Fans auch die seit dem Confederations Cup berühmten Vuvuzela-Tröten im Stadion dabei?

Wiese: Natürlich! Selbst bei Spielen mit vielleicht nur 20.000 Zuschauern in einem Stadion für 50.000 wurde eine so unglaubliche Stimmung erzeugt, als seien 100.000 Fans dort. Es war ein konstantes Dröhnen und Brausen auf den Tribünen, super. Vielleicht kommt es am Fernseher etwas nerviger herüber, aber im Stadion ist das eine tolle Sache. Die Bundesliga in Deutschland ist dazu ein totales Kontrastprogramm. Ich war kurz vor unserer Abfahrt noch mal bei einem Spiel des Hamburger SV. Wenn es mal nicht so läuft auf dem Spielfeld, dann ist das Publikum halt still. Erst wenn der Ball in die Nähe des Strafraumes kommt, wird es etwas lauter. In Afrika ist neunzig Minuten Dauerlärm. Wenn ich jetzt an das Eröffnungsspiel vor 80.000 Zuschauern in Johannesburg denke, dann bekomme ich eine Gänsehaut. Das muss gigantisch sein, das kann man sich in Europa gar nicht vorstellen. Wir müssen nur zusehen, dass wir pünktlich ankommen. Der 11. Juni steht, der Tag des Eröffnungsspiels, und ich befürchte, die Fifa wird den Termin nicht wegen uns verschieben. Wir werden also Gas geben.

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