Vorsicht, Fußgänger überholt rechts

An der Grenze zum Kongo
An der Grenze zum Kongo
Nach der Nacht im Zelt an der Grenze geht es nun weiter in den Kongo, auf schnellstem Weg Richtung Brazzaville. Schnell ist allerdings der falsche Ausdruck. Zunächst bauen wir unser Lager ab und machen ein paar Fotos mit den Kindern des Grenzortes, die sich tierisch über die Wachsmaler und Bälle freuen.

Nach 250 Metern endet unsere Fahrt aber wieder. Wir brauchen ja noch Diesel. Zum Glück sind die Grenzer auch am Sonntagmorgen noch dermaßen freundlich und hilfsbereit, dass umgehend ein paar Kanister aus der Garage geholt werden und farbiges stinkendes Zeug in unsere Tanks gefüllt wird. Wir nehmen mal an, dass es sich tatsächlich um Kraftstoff handelt. Besonders erstaunlich ist die Ansaug-Methodik, um den Diesel zum Fließen zu bringen, weiß doch jedes Kind, dass die Flüssigkeit hoch giftig ist. Aber wir sind ja in Afrika.

Nachdem unsere Wagen also nachgetankt wurden, kriegen wir unsere Pässe, die über Nacht bereits ausgefüllt wurden. Weiter geht es zur Zollstelle, ein paar hundert Meter weiter. Hier herrscht gähnende Leere, es ist schließlich Sonntagmorgen und am Abend zuvor wurde gefeiert. Nach 10 Minuten schlurft ein Grenzer heran und stempelt unsere Unterlagen, dann wird die Schranke aufgeschlossen und wir können passieren. Vermutlich sind wir die einzigen Grenztouristen an diesem Tag, nein, in dieser Woche. Vor 14 Tagen sollen ein paar Franzosen vorbeigekommen sein, klärt man uns auf.

Hinter der Grenze geht es wieder weiter über einen Feldweg, hin und wieder mit Wasserlöchern oder tiefen Regenfurchen blockiert. Laut unterschiedlicher Aussagen liegen nun 60 Kilometer “gute Strecke” und dann 60 Kilometer “schwierige Strecke” vor uns, um letztendlich in unserem Tagesziel Sembé anzukommen. Nachdem wir gut 30 Minuten unterwegs sind, erreichen wir den ersten Kontrollposten auf kongolesischer Seite. Die beiden Beamter durchsuchen jede noch so kleine Tasche, um den seltenen Anblick von Touristen auch für ihre Zwecke nutzen zu können. Mit einem Elfenbeinküste-Shirt sind sie letztendlich zufrieden und wir können passieren.

Der erste entgegenkommende Holztransporter lässt uns hoffen, dass die Straßenverhältnisse dank ausbleibendem Regen und Erschließung durch die Chinesen gar nicht so übel sind, wie wir bisher angenommen hatten. Tatsächlich erreichen wir fast problemlos das erste Örtchen, wo wir unsere Wasser- und Nahrungsvorräte auffüllen und erneut gesagt bekommen, dass die nächsten 60 Kilometer nun hart werden, dann ab Sembé die Straße aber besser wird. Immerhin eine übereinstimmende Meinung der Einwohner, man weiß ja nie, ob sie selbst schon mal überhaupt so weit gereist sind, und wie ihre Definition von “schwer” ist. Außerdem kennen sie ja unsere Fahrzeuge nicht, die sind ja sogar durch die Wüste gekommen, könnte also alles vielleicht halb so schlimm sein.

Weit gefehlt. Direkt nach dem Ort geht es los. Wir müssen Wasserlöcher durchfahren, an steilen Hängen aufpassen, dass wir nicht in die Furchen rutschen. Die Strecke ähnelt dem Testgelände in Berlin, mit dem Unterschied, dass jedes Wasserloch ein Risiko bietet, aufzusetzen oder an versteckten Steinen hängen zu bleiben. Auch wenn wir von Meter zu Meter mutiger werden und dem Auto immer mehr zutrauen, wird es ein Kampf. Immer wieder hängt ein Fahrzeug fest oder stellt sich quer und muss herausgezogen werden. Teilweise ist der Untergrund so schmierig, dass das Lenkrad überflüssig wird und der Wagen vom Kamm in die Botanik rutscht. Vorsichtig und mit harter Arbeit kommen wir voran. 10 Kilometer nach 1,5 Stunden. Diese Strecke ist nicht gemacht für unsere Autos, hier brauch man eindeutig Geländewagen mit mehr Bodenfreiheit. Aber ein Umkehren gibt es nicht, wir müssen da jetzt durch.

Unser Tagesziel Sembé rückt immer mehr in Ferne. Uns überholen Fußgänger und Motorräder, von Autos keine Spur. Die Fahrrinnen sind teilweise so tief, dass wir links oder rechts den halben Dschungel weg mähen müssen, um nicht mittig fahren zu müssen. Ganze Dörfer begleiten unseren Konvoi, was immer bedeutet, dass es nach dem Ort einen ziemlich üblen Abschnitt gibt. Viele Orte sind direkt an Wasserläufen gebaut, diese sorgen für rutsche Pisten oder tiefe, lange, wassergefüllte Furchen. Nachdem wir für die nächsten 5 Kilometer wieder fast 2 Stunden brauchen, wird es langsam dunkel. Wir bereiten uns innerlich auf eine Nacht im Dschungel vor. Schlagen, Mücken, Spinnen, vom ganzen Großwild mal ganz abgesehen. Keine richtig beruhigende Vorstellung.

Den K.O. gibt uns dann ein Stein hinter einem Wasserloch. Das Unterbodenblech wird verbogen, der Motorblock hat kaum noch Spielraum, sofort brechen wir die Fahrt ab. Unsere Mechaniker legen sich unter das Fahrzeug und schrauben die Platte los. Obwohl sie total verbeult ist, ist dem Motor nix passiert. 300 Meter vorher haben wir eine kleine Lichtung passiert, mit 2-3 Häusern. Wir entschließen uns umzukehren und dort zu übernachten. Sembé ist noch 30 Kilometer entfernt, bei unserem Tempo 4-5 Stunden.


Unsere Rückkehr zu den Häusern ist eine gute Idee. Die hier lebenden 2 Familien freuen sich über unsere Ankunft. Wir richten die Zelte auf, solange es noch hell ist und kramen sämtliche Lebensmittel zusammen, die wir an Bord haben. Zum Abendbrot gibt es also lecker Chips mit Keksen, dazu Tee und Salzstangen. Wir sind überhaupt nicht vorbereitet. Müde und vollkommen fertig fallen wir ins Bett bzw. Zelt. Doch auch diese Nacht wird nicht erholsam. Um 11 geht das erste Gewitter los, von 1 bis 4 Uhr regnet es dann durchgängig. Wasser staut sich in den Zelten, den Streckenverhältnissen am nächsten Tag wird der Regen ebenfalls nicht gut tun. Erste Zweifel machen sich breit, aber der Point of no return ist bereits überschritten. Da müssen wir jetzt durch, Zeitpuffer haben wir zum Glück genug. Hauptsache Mensch und Maschine halten dieser Belastung stand.