King Kongo, der Endgegner

Die Kinder sind neugierig
Die Kinder sind neugierig
Uns wurde von Flüssen erzählt, die es nicht gab. Uns wurde der Vogel gezeigt, aber wir sind weiter gefahren. Wir haben Wege beschritten, die ein Umkehren unmöglich machen. Wir haben gedacht, dass ab Sembé die Straßen besser werden.

Aber irgendwo muss er doch lauern. Der Endgegner dieser Etappe. Das Highlight, was uns an den Rand des Aufgebens bringt. Das Wasserloch oder die fehlende Brücke, die zum Motorschaden führen und alle Hoffnung auf eine WM in Südafrika begraben. Irgendwie konnte das doch nicht alles sein, irgendwas musste der Dschungel doch planen. Und genau so kam es.

Nachdem wir erschöpft aber glücklich in Sembé angekommen waren, beginnt der neue Tag hoffnungsvoll. Es hat nicht geregnet, wir wähnen den Großteil überstanden und die Luft ist wunderbar. Die Autos machen bis auf die Getriebeprobleme alles mit, die Gruppe ist guter Laune, gesund und munter. Nach dem Frühstück geht es wieder los, hinaus aus dem Örtchen, 180 Kilometer bis Ouesso, so lautet die Tagesetappe. Das 6-fache von gestern, aber “die Straßen werden ja besser”. Leider gibt es in Sembé keinen Sprit, so dass wir unsere Kanister in die Tanks kippen, 25 Liter extra, macht ca. 300 Kilometer auf befestigter Straße. Kein Problem also bis Ouesso zu kommen.

Denkste. Am Ortsausgang von Sembé wieder eine Polizeikontrolle. Auf die Passkontrolle wird verzichtet, wenn wir einen Polizisten mit nach Ouesso nehmen. Das klingt nach einem fairen Deal. Also geht es weiter mit einem Mann mehr an Bord. Dieser erklärt uns zu unserer Ernüchterung, dass die “gute Straße” erst 40 Kilometer hinter Sembé beginnt. Aber der Abschnitt bis dahin sei kein Problem. Nun ja. Nach ein paar Kilometern wird die Fahrbahn eng, so dass rechts und links Pflanzen ans Auto hängen. Ein Ausweichen ist hier unmöglich. Die ersten kleineren Wasserlöcher meistern wird ohne Probleme, doch dann stellen wir schnell fest: Diese 40 Kilometer werden nochmal richtig hart.


Nach gut 2 Stunden und 15 Kilometern türmt er sich dann vor uns auf. Der Endgegner, King Kongo. Mit einem Wasserloch oder einer fehlenden Brücke war zu rechnen. Aber nicht mit einem Berg. Im Dschungel, ein Berg. Die Auffahrt ist so steil und sandig, dass sofort die Reifen durchdrehen und wir nicht von der Stelle kommen. Es liegen monströse Steine im Weg, eine falsche Lenkbewegung und man kann den Unterboden vergessen. Nach mehreren Versuchen, Steine vor die Reifen zu platzieren oder mit unseren Sandblechen zu agieren, um irgendwie vorwärts zu kommen, macht sich langsam Ratlosigkeit breit. wir kommen diesen Berg nicht hoch. Nach all den Erlebnissen der letzten Tage, alles sieht danach aus, als wenn es das nun war. Der Berg ist zu steil, die Auffahrt zu sandig. Keine Chance, trotz hochmotorisiertem Wagen und genügend Bodenfreiheit.

Wie ein Extraleben in einem Videospiel plötzlich die Entdeckung. In einem Gebüsch weiter den Hang hinauf ein schief gewachsener Baum. Seine Krone nicht zu erkennen, sein Stamm fast waagerecht. Fest genug um die Seilwinde daran zu befestigen und die Autos damit den Hang hochzuziehen. Bereits der erste Versuch klappt, es keimt wieder Hoffnung in uns auf. Da am 2. Wagen bereits die Seilwinde defekt ist, muss Wagen 1 auf dem Berg gewendet werden und den Hand wieder ein paar Meter heruntergefahren werden. Mit dieser Hilfe kommen schließlich alle Fahrzeuge auf dem Gipfel an. Das muss es nun aber doch gewesen sein, diese Prüfung, diese Anstrengung, diese Leistung. Leider nein.

150 Meter nach dem Gipfel fällt bei Wagen 3 der Strom aus, die Batterie ist leer, der Motor geht aus. Da die Funkverbindung ebenfalls unterbrochen ist, müssen wir hinter den anderen Fahrzeugen her rennen, da diese natürlich die kurze Erholungsstrecke nutzen und die Rückspiegel aufgrund der Äste rechts und links eingeklappt sind. 250 Meter Sprint durch den Dschungel, bei 27 Grad und kurz nach der Bewältigung des Berges. Nachdem die anderen Fahrzeuge umgekehrt sind, die schnelle Erkenntnis. Die Lichtmaschine scheint durch die Schlammpfützen total verdreckt und dadurch die Batterie nicht mehr zu laden, ein Austausch dauert 3 Stunden, zum Glück hat uns Kia ein Ersatzteil mitgegeben. Da Fliegen, Bremsen und anderes Kleinvieh ein Arbeiten an dieser Stelle aber nahezu unmöglich machen, entschließen sich unsere Mechaniker die Batterien zu tauschen. Wagen 3 bekommt eine volle, mal schauen, wie weit wir damit kommen.

Nun heißt es Energie sparen. Klimaanlage aus, Fenster auf, Lüftung aus. Am Ende des Tages sammeln wir so den halben Dschungel ein, da wir immer wieder weit links oder rechts durchs Gestrüpp ausweichen müssen. Nach Kloake stinkende Tümpelflüssigkeiten fliegen durchs Fenster, Ungeziefer krabbelt überall, der Sand geht in jede Pore. Nun haben wir das Abenteuer, das wir gesucht haben. Klimatisiert durch den Dschungel fahren kann doch jeder.

Die 40 Kilometer bis zur “guten Straße” werden nach und nach weniger. Das Getriebe hält, die Batterie muss erst nach 3,5 Stunden wieder ausgetauscht werden. Gut, dass wir mit 3 Fahrzeugen unterwegs sind. Kurz vor dem Ende der Strecke noch der kleine Bonusgegner. Eine Schrägfahrt durch Matsch über mehrere Meter, das längste Wasserloch der Tour, wiederum folgt uns das ganze Dorf um das Spektakel zu betrachten. Dann haben wir es geschafft. Die “gute Straße” ist tatsächlich gut. Uns erwarten auf dem Weg nach Ouesso nochmal 140 Kilometer feinste Piste, plattgefahren und rutschig, aber gut befahrbar und ohne Hindernisse. Ein letzter Stopp in der Dämmerung zum Batteriewechsel (Fernlicht verbraucht ja auch mehr Kapazität), dann erreichen wir auf den letzten Tropfen Diesel endlich Ouesso. Wir haben es geschafft. Staub, Schweiß und Schmiere überall, aber eine tröpfelnde Dusche bietet Abhilfe.

Ouesso empfängt uns mit geteerten Straßen und chicen Häusern. Das hätten wir nicht erwartet. Leider hat um 23 Uhr niemand mehr etwas zu essen für uns, also fällt das Abendbrot zum dritten Mal in Folge flach. Schlafen aufgrund der Erschöpfung ist ohnehin bevorzugt. Wir haben den Dschungel besiegt. Erschöpft gönnen wir uns und den Fahrzeugen ihre verdiente Pause.